Die Kulturbeilage

Zwischendurch auch einmal konzentriert an etwas anderes denken, sich ablenken und flüchten. Ich lese „Billard um halbzehn“ von Böll, ich schließe abends im Bett Bildungslücken. Ein Buchtitel, den ich gefühlt schon mein Leben lang kenne, der immer und überall herumstand, in Regalen, Literaturgeschichten und auch auf Lehrplänen. Und jetzt erst merke ich, dass meine Annahme,... Der Beitrag Die Kulturbeilage erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Feb 5, 2025 - 20:00
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Die Kulturbeilage

Zwischendurch auch einmal konzentriert an etwas anderes denken, sich ablenken und flüchten.

Ich lese „Billard um halbzehn“ von Böll, ich schließe abends im Bett Bildungslücken. Ein Buchtitel, den ich gefühlt schon mein Leben lang kenne, der immer und überall herumstand, in Regalen, Literaturgeschichten und auch auf Lehrplänen. Und jetzt erst merke ich, dass meine Annahme, die mir stets selbstverständlich vorkam, es müsse im Titel 21:30 gemeint sein, falsch ist. Die Hauptfigur spielt morgens Billard. WTF.

Ich habe vermutlich etwas dumm geguckt. Also noch dümmer als sonst.

Gleich am Anfang wird da eine Sekretärin beschrieben, die an einem Schreibtisch sitzt und einen gelben, grünen oder blauen Heuss über ein Schwämmchen zieht. Und ich bin so alt und westdeutsch, ich verstehe das noch, was da ohne weitere Erläuterung beschrieben wird. Ich habe es auch gleich als Bild vor Augen, und zwar en Detail. Schon die Herzdame aber, etwas jünger als ich, versteht es nicht mehr auf Anhieb. Und die Söhne wären sicher vollkommen chancenlos. Einen grünen Heuss übers Schwämmchen ziehen, ja, is‘ klar.

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Mit für meine Verhältnisse beachtlicher Ausdauer habe ich außerdem die Lektionen von Ian McEwan als Hörbuch beendet, 22 Stunden Romanmarathon. Und wieder habe ich gemerkt, wenn in erzählenden Texten die Klimakrise oder die Coronapandemie vorkommen, gewinnen diese Werke für mich umgehend Sachbuchcharakter. Mir ist noch kein Prosatext begegnet, bei dem das nicht so war. Diese beiden Schlagwörter reißen alles Erzählte aus dem Fach Prosa heraus und sortieren es um in eine andere Abteilung.

Und im Falle von Corona ist es dann außerdem ein Sachbuch über etwas, bei dem ich mir nicht sicher sein kann, ob ich wirklich dabei war.

Also ich war selbstverständlich dabei. Wie wir alle, ich weiß, soweit bin ich noch bei Verstand – aber es fühlt sich beim Lesen oder Hören einfach nicht so an. Das haben andere Menschen zu anderen Zeiten erlebt, was da geschildert wird, vielleicht in einem Paralleluniversum.

Was mir wiederum schön belegt, dass die psychischen Verheerungen der Coronajahre wesentlich wilder waren und nach wie vor sind, als allgemein angenommen und akzeptiert wird. Aber das ist nur meine Privattheorie, das muss man nicht so sehen.

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