Emotions-Training : "Wenn wir unsere Gefühle verdrängen, suchen sie sich andere Ventile"

Mit Emotionen umgehen – das ist nicht immer leicht, besonders, wenn wir uns schlecht fühlen. Deshalb müssen wir den Umgang trainieren. Auch die Expertin Carola Kleinschmidt weiß das und hat deshalb Übungen und Tipps für uns parat. 

Feb 5, 2025 - 11:28
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Emotions-Training : "Wenn wir unsere Gefühle verdrängen, suchen sie sich andere Ventile"

Mit Emotionen umgehen – das ist nicht immer leicht, besonders, wenn wir uns schlecht fühlen. Deshalb müssen wir den Umgang trainieren. Auch die Expertin Carola Kleinschmidt weiß das und hat deshalb Übungen und Tipps für uns parat. 

Heftbox Brigitte Standard

Wenn wir unsere Gefühle verdrängen, suchen sie sich andere Ventile. Häufig führen diese "Gefühle auf Abwegen" zu den Problemen, über die wir stöhnen, wenn wir sagen: Gefühle sind echt kompliziert. Ein paar Beispiele:

Gefühls-Verirrung: Gerade aggressive Gefühle wie Ärger und Wut verwandeln sich gern mal in Sarkasmus oder Verbitterung, wenn wir sie nicht ernst nehmen. Das Problem dabei: Sarkasmus, Bitterkeit, Zynismus oder Ironie haben keine verändernde Kraft. Im Gegenteil: Sie hindern uns, das eigentliche Gefühl zu spüren. Statt uns mit unserem Umfeld zu verbinden, sorgen sie dafür, dass wir uns abkapseln. So sitzen wir mit unserem verirrten Gefühl da und fühlen uns einsam oder leer.

Tausch: Wenn wir Gefühle unterdrücken oder sie keine Resonanz finden – zum Beispiel, weil es heißt: "Stell dich nicht so an!" oder "Du hast doch keinen Grund, so zu fühlen!" – dann tauschen wir sie in ein Gefühl um, mit dem wir uns unsere eigene Not auf Abstand halten. Aus Hilflosigkeit wird Aggression. Aus Unsicherheit wird Arroganz. Aus Ohnmacht oder Neid Hass. 

Schmalspur: Oft hadern wir mit unseren Gefühlen. Wir wünschen uns reine Liebe oder pure Begeisterung. Doch Gefühlen wohnt immer ein "und" inne, sagt Therapeutin Gabriele Frick-Baer. Es ist völlig normal, dass wir uns freuen – und gleichzeitig traurig sind, weil wir spüren, dass der schöne Moment auch vorbei gehen wird. Oder dass wir jemanden gleichzeitig lieben und hassen. Dass wir neugierig und ängstlich sind, wenn wir etwas Neues wagen. Gefühle kennen kein Entweder-oder. Wer sich die Gleichzeitigkeit verschiedener Gefühle verbietet, macht sich selbst und seine Lebendigkeit klein. 

Neugier motiviert uns an, Neues auszuprobieren. Liebe macht unsere Beziehungen inniger. Dankbarkeit hilft uns, das Gute im Leben zu sehen. Gefühle sind wie ein eingebauter Express-Service, der uns blitzschnell darüber informiert, wie das Zusammenspiel zwischen unseren Bedürfnissen und der Umwelt gerade läuft. Doch auch die negativen, eher schwierigen Gefühle halten wichtige Botschaften für uns bereit. Sie werden dann zum Problem, wenn wir ihre Botschaften nicht hören oder gleich das ganze Gefühl verdrängen. 

Zum Glück kann man den Umgang mit Emotionen aber trainieren – Die folgenden Übungen helfen, unsere Gefühlswelt besser zu verstehen und auch mit den schwierigen Gefühlen eine gute Handhabe zu finden.

Übungen für jeden Tag 

Wut: Sei freundlich zu deiner Wut

Wut kann einen ganz schön mitreißen. Man sieht rot, ist außer sich vor Wut – schon der Volksmund weiß, dass die Wut ein intensives Gefühl ist. Wenn wir wütend werden, ist dies ein Hinweis darauf, dass gerade ein ganz grundlegendes Bedürfnis verletzt wurde – vielleicht sogar Erlebnisse getriggert wurden, die lange zurück in unsere Kindheit reichen. Weil Wut uns so allumfassend besetzen kann, ist spontanes Handeln in der Wut häufig ungünstig.

Besser ist: Verlasse die Situation. Tue etwas, das dich runterbringt. Und wenn das Wutfeuer etwas niedriger brennt, genau hinzuschauen: Was hat mich so wütend gemacht? Welche Bedürfnisse wurden verletzt? Welcher Schmerz zeigt sich hier? Welche Grenze oder welchen Wunsch möchte ich meinem Gegenüber deutlich machen?

Übung "Mein roter Luftballon": 

Beim nächsten Wutanfall ziehst du dich kurz zurück. Stell dir vor, du wärst ein prall aufgeblasener roter Luftballon. Atme tief ein und halte für einen Moment die Luft an. Lass dann ganz langsam, konzentriert und bewusst die Luft heraus. Danach atmest du ruhig weiter ein und aus. 

Trauer: Trau dich zu trauern

In unserer Kultur haben wir fast verlernt zu trauern. Meist wollen wir so schnell es geht, in unseren Alltag zurückkehren. Doch die Fähigkeit zu trauern, gibt uns langfristig Kraft und Zuversicht, während Verdrängen Ohnmacht und Groll zur Folge hat. Dabei trauern wir um Menschen, aber auch verpasste Chancen oder verlorene Fähigkeiten können ein Grund sein, um traurig zu sein. Das Gefühl der Trauer ist eng verbunden mit Dankbarkeit und Freude. Das sehen wir sehr gut auf Beerdigungen: Da wird geweint und zugleich über die lustigen Erlebnisse und Eigenschaften der Verstorbenen gelacht. Trauer ist also nicht nur grau, sondern ein Gefühl mit vielen Schattierungen. 

Übung "Bewusst trauern":

Nimm dir einen Moment der Ruhe. Stell dir die Person oder die Situation vor, um die du trauerst. Nimm dir für diese Übung nicht den größten Verlust, den du erlitten hast. Beginne in Gedanken ein Gespräch miteinander. Erzähle von dir, deinen Gefühlen und Gedanken. 

Neid: Wegweiser Neid

Wenn wir neidisch werden, wünschen wir uns etwas, was ein anderer hat – und wir vermeintlich nicht. Neid lebt vom Vergleich. Häufig hört man ja, man solle sich eben nicht vergleichen. Doch Menschen sind soziale Wesen. Neid gehört zu unserem ganz normalen Gefühlshaushalt – auch, wenn wir das Gefühl nicht besonders mögen – und wenn wir unseren Neid ein wenig freundlicher betrachten, kann er sogar richtig hilfreich sein.

Nutze deinen Neid als Chance, um herauszufinden, was du wirklich willst und was dir in deinem Leben fehlt. Folgende Fragen können dabei hilfreich sein:

  • Mit welchen Menschen vergleiche ich mich und warum tue ich das?
  • Wäre ich wirklich glücklicher, wenn ich das hätte, worauf ich neidisch bin? 
  • Welche Bedürfnisse stecken hinter meinem Neid? Sehne ich mich nach Geborgenheit? Sicherheit? Wohlstand? 
  • Welche konkreten Schritte würden mir helfen, meine Bedürfnisse zu erfüllen?

Einsamkeit: Für mehr Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge

Einsamkeit zeigt uns, dass wir soziale Verbundenheit und Zugehörigkeit vermissen. Wir wollen uns anderen Menschen nahe, uns geborgen und geschützt fühlen. Allein die Erkenntnis, dass Einsamkeit ein Signal dafür ist, dass wir uns nach sozialen Kontakten sehnen, ist ein wichtiger Schritt. Denn oft interpretieren wir Einsamkeit falsch, nämlich als Zeichen, dass wir sozial gescheitert sind. 

Als erstes sollten wir uns selbst Gutes tun. Sport, kreative Beschäftigung oder die Natur können uns ein Gefühl von Verbundenheit und Wertschätzung vermitteln. Das bringt uns emotional wieder in Balance. 

Wir können uns auch liebevoll umarmen. Dazu legen wir uns die Arme über Kreuz um die Schultern oder die Hüfte. "Eine Umarmung bedeutet Verbindung, in diesem Fall mit sich selbst. Freundlicher Selbstkontakt kann lebensrettend sein", sagt die Neurologin und Therapeutin Claudia Croos-Müller.

Dann können wir schauen, mit wem wir uns gerne verbinden würden, Freund:innen sagen, dass wir sie gerne öfter sehen möchten oder uns einer Freizeitgruppe anschließen.