Das UX-Festival 2024: Austausch für UX-Professionals im sonnigen Erfurt

Meine DATEV-Kollegin Rebekka Schmidt und ich waren dieses Jahr mal wieder auf dem UX-Festival der German UPA. In diesem Blogbeiträg sowie im Video […]

Feb 3, 2025 - 00:31
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Das UX-Festival 2024: Austausch für UX-Professionals im sonnigen Erfurt

Meine DATEV-Kollegin Rebekka Schmidt und ich waren dieses Jahr mal wieder auf dem UX-Festival der German UPA. In diesem Blogbeiträg sowie im Video erfährst Du, worum es dieses Jahr ging und wie das UX-Festival aus meiner Sicht war.

Das UX-Festival findet einmal im Jahr im Zughafen in Erfurt statt. Es wird von der German UPA – dem Berufsverband für UX-Professionals – ausgerichtet. In diesem Jahr wurde es von UX&I, Siemens und DATEV finanziell unterstützt, so dass die Eintrittspreise sehr niedrig waren. Mittlerweile hat es sich zu einem der großen Stelldichein der UX-Branche entwickelt und schickt sich an, der Mensch und Computer den Rang abzulaufen.

Es waren 300 UX-Professionals aus der DACH-Region dabei. Es waren gefühlt deutlich mehr als vor zwei Jahren, als ich das erste Mal dabei war. Ich finde das UX-Festival persönlich sehr schön, weil es im Grunde einfach nur ein riesiger Gesprächsanlass ist. Es bietet eine Vielzahl von Workshops, Diskussionsrunden und Vorträgen. Insgesamt waren es 61 Sessions. Aber es ist eben keine klassische Konferenz, sondern ein Ort, an dem man sich als UX-Professional und UX-Interessierte:r vor allem austauschen kann. Die Stimmung war großartig, viele bekannte Gesichter, viele tolle Gespräche. Die Atmosphäre im Zughafen, umgeben von altem Industrie-Charme, lädt überall zum Verweilen, Diskutieren und Plaudern ein.

Nur das Wetter forderte den Teilnehmenden stellenweise etwas Geduld und Durchhaltevermögen ab. Am ersten Tag war es zeitweise so heiß, dass man gefühlt alle halbe Stunde hätte duschen wollen. Am zweiten Tag überraschte das Wetter in Erfurt mit einem Platzregen. Aber, das tat der guten Stimmung alles keinen Abbruch.

Bild von der Bühne von Dominique Winter

Erfrischende Keynotes von Zorica und Michelle

In diesem Jahr wurde die Konferenz nicht etwa von einer:m bekannten Keynote-Speaker:in eröffnet, sondern von zwei jungen UX-Kolleg:innen, die ihre Herzensthemen in zwei kurzen Keynotes präsentierten.

Zorica Zettelmeyer eröffnete die Konferenz mit einem Impuls zum Bewerbungsprozess für UX-Professionals – „Vom Tunnelblick zum Durchblick“. Sie kritisierte, dass Personalentscheider oft wenig Zeit für Bewerbungen von UX-Professionals aufwenden, während UX-Designer viel Mühe in ihre Portfolios stecken. Sie wünscht sich, dass mehr auf die individuellen Talente und weniger auf Portfolios geachtet wird. Wenn Portfolios notwendig sind, sollten UX-Designer:innen UX-Methoden wie Personas und Journey Maps nutzen, um sie besser an die Bedürfnisse der Personalentscheider:innen anzupassen. Zorica plant einen Ratgeber zur Portfolioerstellung, um anderen UX-Designer zu helfen. Dazu hat sie eine Umfrage erstellt und freut sich auf Deine Erfahrungen hier.

Michelle Hausen sprach in ihrer Keynote „Experiences, die in Erinnerung bleiben“ darüber, wie man begeisternde Erlebnisse kreiert. Sie betonte, dass wir uns an besonders einzigartige Erlebnisse erinnern, und stellte die Frage, warum wir als UX-Professionals im Alltag oft gewöhnliche Erlebnisse gestalten, die vor allem auf das Produkt und dessen Verkauf fokussiert sind. Michelle zeigte auf, dass Produkte oft zu vergleichbar werden, wenn der Fokus nur auf wenigen produktspezifischen Faktoren liegt. Menschen benötigen eine emotionale Beziehung zum Produkt, um es nicht als austauschbar zu empfinden. Sie argumentierte, dass die häufig verwendeten UX-Methoden nicht ausreichen, um die tiefere Identität und Persönlichkeit der Nutzer:innen zu berücksichtigen. Ihre Empfehlung lautete, nicht nur auf die Situation und Bedürfnisse, sondern auch auf die Identität der Zielgruppe zu achten. Dies umfasst Aspekte, wie Werte, Erfahrungen, soziale Verbindungen und mehr, die zwar nicht direkt mit dem Produkt verbunden sind, aber entscheidend dafür sind, wie Menschen sich an ein Produkterlebnis erinnern.

Die großen Themen: KI und Nachhaltigkeit

Ein großes Thema der Konferenz war natürlich KI. Es ging insbesondere darum, welche Auswirkungen KI auf UX-Research, UX-Design und das Berufsbild von UX-Professionals hat. KI war am ersten Tag allgegenwärtig. Es gab kaum einen Sessionslot ohne einen Beitrag zu diesem Thema. Ich habe an zwei Diskussionrunden von Michael Überschär (Empic) sowie David Ranftler und Paul Wesendonk (xelper) teilgenommen. Beide zogen sehr viele Teilnehmende an. Die Kernerkennntisse:

  • In vielen Unternehmen wird mit KI-Tools für UX-Testing experimentiert. Dabei unterstützt KI, z.B. durch Transkription, oder automatisiert Aufgaben, z.B. Durchführung von Interviews.
  • Am häufigsten wird ChatGPT als generelles Tool zur Unterstützung der UX-Arbeit genannt. Aktuell kann das bei der Vorbereitung von Workshops oder beim Schreiben von Emails unterstützen. Für Kernaufgaben des UX-Designs oder UX-Research ist es aktuell wenig brauchbar.
  • Es rückt in greifbare Nähe, dass KI automatisiert Emotionen in UX-Evaluationen erkennen kann. Allerdings sind hier noch Herausforderungen, wie eine ausreichende Datenmenge und Datenschutz, zu meistern.
  • KI-Tools versprechen die Automatisierung von Barrierefreiheitstests, aber die Ergebnisse sind teilweise unbrauchbar.
  • Herausforderungen: Erstellen sinnvoller Prompts ist schwierig und zeitaufwändig. Die Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen ist bei vielen KI-Tools nicht gegeben. Die Benutzbarkeit von KI-Tools ist ausbaufähig. UXRs müssen die Relevanz eines Projektes und die damit verbundenen Risiken gut verstehen, um einschätzen zu können, ob UX-Research in diesen durch KI-Tools automatisiert werden kann.
  • Zukünftige Fähigkeiten: UX-Professionals sollten den Fokus auf die Auswahl der relevanten Fragen und passenden Methoden legen, da die Durchführung zunehmend automatisiert wird. UXRs müssen die Qualität der Erkenntnisse von KI-Tools und deren Relevanz mit Blick auf die Unternehmens-/Projektziele sowie das Risiko einschätzen. Sie sollten Teams bei der Einschätzung des Risikos aus Sicht der Anwender:innen unterstützen können.
  • Exzellente fachliche Kompetenzen bleiben auch in Zukunft wichtig. UX-Professionals müssen die Arbeit von KI-Tools gut einschätzen können. Die große Frage ist, wie Junior UX-Professionals zukünftig diese Fähigkeiten aufbauen. Angepasste Konzepte für die Ausbildung von UX-Professionals sind erforderlich.
  • UX-Professionals sollten jetzt Schritt für Schritt ausprobieren, was sie produktiv in ihren Arbeitsprozessen einrichten lassen.
  • Im Risikomanagement spielen UXRs eine entscheidende Rolle, indem sie die Sicherheit in Entscheidungsprozessen verbessern. Die Auswahl der passenden UX-Research-Methode sollte risikobasiert erfolgen. Für risikoreiche Entscheidungen ist eine hohe Qualität und Verlässlichkeit der Ergebnisse notwendig. Für risikoarme Entscheidungen könnten KI-Tools, die beispielsweise nur in 8 von 10 Fällen richtig liegen, ausreichen.
  • Auswahlkriterien für KI-Tools: Bei der Auswahl von KI-Tools sollte bewusst entschieden werden, worauf die Fragestellung und das Forschungsvorgehen optimiert werden muss: Qualität, Quantität oder Geschwindigkeit. Für höchste Qualität empfiehlt sich eine Kombination aus menschlicher Expertise und KI-Unterstützung, während für Quantität und Geschwindigkeit automatisierte KI-Tools besser geeignet sind.

Das zweite große Thema war Nachhaltigkeit. Sowohl die ökologische Seite als auch Barrierefreiheit wurden in vielen Sessions behandelt. Es war erfreulich zu sehen, wie breit das Interesse an diesen wichtigen Themen ist.

Persönliche Führungskompetenzen

Besonders gefreut hat mich, dass es auch Sessions zur Entwicklung von persönlichen Führungskompetenzen gab. In diesen wurden Themen wie

  • “Wie verkaufe ich UX?” oder Argumentation von UX im Rahmen von Projekten
  • “Stakeholder-Kommunikation” und
  • “Konfliktmanagement”

diskutiert. Diese Themen sind essenziell, um im beruflichen Alltag als UX-Professional erfolgreich zu sein.

Aktuelle Herausforderungen in der UX-Branche

Ein Thema, das mich persönlich sehr bewegt, ist der aktuelle Status quo in der UX-Branche. Till Wollong (Freelancer), Kay Spiegel (UX&I) und Robin Goldberg (Mercedes-Benz) boten dazu zwei Sessions an, in denen diskutierte wurde, wie es derzeit in verschiedenen Unternehmen für UX-Professionals läuft. Der Kostendruck und der Fokus auf Umsatzsteigerungen beeinflussen unsere Arbeit aktuell stark.

Freelancer berichten von zunehmenden Preisdiskussionen. Agenturen berichten von verschobenen Projekten und einem Preiskampf, da Budgets gekürzt werden.  Inhouse-UXler:innen berichten davon, dass es immer schwerer wird an der Etablierung von UX zu arbeiten.

In der Corona-Zeit haben Unternehmen viele UX-Professionals eingestellt, und es kam zu einer Verlagerung von UX-Expert:innen aus Agenturen in Unternehmen. Jetzt scheint es so, als ob Unternehmen den Wert von UX weniger schätzen und meinen, dass beispielsweise Projektmanager:innen UX-Aufgaben übernehmen könnten. Die Teilnehmer:innen erwarten, dass es sich hierbei um eine temporäre Entwicklung handelt, weil sich das Verhalten von Kund:innen und Anwender:innen nicht grundlegend verändert. Auch in Zukunft werden sie nur Dinge kaufen, die Bedürfnisse und Erwartungen erfüllen. Fehlen einem Produktteam die dafür nötigen Kompetenzen, wird sich der Produkterfolg nicht einstellen.

Die wirtschaftliche Lage zwingt Unternehmen zu kurzfristigem Denken. Es ist für UX-Professionals aktuell nicht sinnvoll den Fokus ihrer Arbeit auf die langfristige Entwicklung des UX-Reifegrades zu legen. Der wirtschaftliche Druck erfordert eine stärkere Ausrichtung der UX-Arbeit auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Unternehmen, z.B. Umsatzsteigerung oder Kostenreduzierung. Es ist entscheidend, die Bedürfnisse des Unternehmens und der Stakeholder zu verstehen. Der Erfolg von UX-Arbeit sollte an konkreten geschäftlichen Zielen gemessen und verdeutlicht werden, wie z.B. der Reduktion von Supportanfragen oder der Verbesserung der Produktivität.

Es ist notwendig die UX-Arbeit mit wirtschaftlichen Zahlen zu untermauern. Dabei geht es nicht um die Genauigkeit der Zahlen. Wirtschaftliche Kennzahlen sind nur sehr selten zu 100% korrekt und wahr. In der Regel handelt es sich um solide „Schätzungen“. UX-Professionals sollten die wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen ihres Unternehmens im Kopf haben und damit argumentieren können.

„Hinter jeder Entscheidung im Unternehmen steckt Geld.“

UX-Professionals sollten stets überlegen, welchen Wert ihre Arbeit für das Unternehmen schafft und welche Kosten dafür gerechtfertig sind. Sie sollten ihre Arbeit auf die Themen lenken, die für Unternehmen und Manager:innen von hoher Priorität oder mit einem hohen Risiko behaftet sind.

UX-Professionals sollten in ein gutes Stakeholder-Management investieren. Ein guter Beziehungsaufbau bei Stakeholder:innen stiftet Vertrauen und unterstützt Glaubwürdigkeit, was bei der Argumentation von unschätzbarem Wert ist. Argumentationen sollten immer sehr einfach und gut nachvollziehbar aufgebaut sein. Je höher die Managementebene, umso einfacher. Methodische Perfektion ist bei der Überzeugungsarbeit auf dieser Ebene nicht hilfreich.

„Wenn man die Zahlen hat und diese einfach und nachvollziehbar erklären kann, wird man gehört und kann eine bessere UX für Nutzer:innen erreichen.“

Künstliche Intelligenz wird die Rolle von UX-Professionals verändern. Managementaufgaben, betriebswirtschaftliche Themen sowie eine datenbasierte Arbeitsweise werden für UX-Professionals wichtiger.

Veröffentlichung des UX-Management Playbooks

Ein weiteres Highlight war die Veröffentlichung der ersten Version des UX-Management Playbooks. Dieses Playbook, entstanden im Arbeitskreis UX-Management der German UPA, bietet Orientierung für Personen, die ins UX-Management wollen oder bereits als UX-Manager:innen arbeiten. Im Workshop haben wir das Playbook vorgestellt und wertvolles Feedback zu aktuellen Herausforderungen gesammelt. Vielen Dank an die Teilnehmer:innen unserer Session.

Das UX-Management Playbook findest Du hier. Wir freuen uns über Dein Feedback.

Fazit: Ein Event, das sich lohnt

Mein Fazit zum UX-Festival: Es lohnt sich. Es ist ein sehr empfehlenswertes Event, insbesondere wenn Du Dich austauschen möchtest und über aktuelle Fragestellungen im UX-Umfeld diskutieren willst. Du findest hier viele Möglichkeiten, um in die Diskussion zu gehen, neue Personen kennenzulernen und Dein Netzwerk zu erweitern.

Ausblick: UX Leadership BarCamp im November

Wenn Du noch nicht genug von BarCamps hast, dann lege ich Dir das UX-Leadership BarCamp am 21. & 28. November ans Herz. Es ist ein Online-Event, das wir über den Experience Leadership Club organisieren. Der Fokus liegt auf Führungsthemen im UX-Bereich.

Die Anmeldung ist seit dem UX-Festival eröffnet. Melde Dich gern direkt an.