Journal Dienstag, 4. Februar 2025 – Urlaubstag 2 mit Mutter und Münchner Jugendstil
Ich hoffte sehr auf den angekündigten strahlenden Sonnenschein für München mit meiner Mutter, doch sowas wie hell wurde es zum bleiernen Hochnebel vom Montag. Medikament-Rezept geholt und eingelöst – wie ungemein praktisch, dass ich beim drohenden Ende eines meiner Dauer-Medikamente frei hatte und morgens einfach zur Praxis marschieren konnte, ohne Herumplanen und minutengenaues Arbeitspausen-Jonglieren. Als […]
Ich hoffte sehr auf den angekündigten strahlenden Sonnenschein für München mit meiner Mutter, doch sowas wie hell wurde es zum bleiernen Hochnebel vom Montag.
Medikament-Rezept geholt und eingelöst – wie ungemein praktisch, dass ich beim drohenden Ende eines meiner Dauer-Medikamente frei hatte und morgens einfach zur Praxis marschieren konnte, ohne Herumplanen und minutengenaues Arbeitspausen-Jonglieren.
Als ich aus dem Haus ging, sah ich wieder den Brief an der Tür, der heftige und laute Sanierungsarbeiten in einer Wohnung im Haus ankündigte. Er hängt da seit einigen Wochen, mir war sofort klar geworden, dass der Lärm exakt in meiner Urlaubswoche beginnen würde. Ungute Erinnerungen an mein Auszeitjahr, in das die Mauern-erschütternde Sanierung von zwei Nachbarwohnung gefallen war, sehr ungemütlich.
Und als ich über Lektüre der gestrigen Süddeutschen auf das Klingeln meiner Mutter wartete, setzte es auch ein: das Bohren, das man bis ins Knochenmark spürt.
Verabredet waren wir unter anderem zum Besuch der Kunsthallen-Ausstellung “Jugendstil. Made in Munich”. Als wir uns dorthin auf den Weg machten, in weiterhin klamm frostiger Luft, wurde der Himmel heller: Ich sah erstes Blau.
Meine Mutter schwärmt von Jugenstil, seit ich denken kann, blieb in Urlauben verzückt an Fassaden und Gegenständen stehen, die danach aussahen. Auf eigenen Reisen lernte ich später die vielen Varianten von Jugenstil weltweit, darunter Art déco, Modernisme. In der Kunsthalle wird derzeit die Münchner Variante ausgestellt, schließlich hat die Münchner Wochenzeitschrift Jugend dem Stil seinen Namen gegeben.
Der Andrang war groß: Dienstag, stellte sich heraus, kostete der Eintritt nur die Hälfte.
Neben Erklärungstafeln auf Deutsch und Englisch zu den Themen der einzelnen Säle gab es wieder einen Audioguide über Web und WLAN zu manchen Exponaten und Kapiteln mit Zusatzinformationen – und schon wieder hatte ich nicht an Kopfhörer gedacht. Ohnehin tauschte ich mich lieber mit meiner Mutter über die Eindrücke aus, nur hin und wieder holte ich mir über den Guide Zusatzinfos.
Die Fassadendekoration des schwabinger Hofateliers Elvira von Anita Augspurg und Sophia Goudstikker nachgebildet.
So manches Gemälde erinnerte mich an die Präraffaeliten.
Das aber war mein Liebling: Thomas Theodor Heines Bronze “Teufel”.
In der Abteilung zu ländlicher Handwerkskunst als Einfluss. Den Bierkrug rechts haben auch meine Eltern im Schrank stehen. (Mein Vater trinkt aber nicht gerne daraus: Wenn der Deckel hochgeklappt ist, neigt der Krug zum Umkippen. Da hätte das Funktionalitätsstreben des späteren Bauhaus gut getan.)
Wie ich schon vermutet hatte: Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Münchner Stadtmuseum, in dem ich schon einigen Münchner Jugenstil gesehen hatte. Und wo das Stadtmuseum eh die nächsten Jahre geschlossen ist wegen Renovierung, kann man ja den Bestand für eine eigene Ausstellung woanders kuratieren. Schöne Ausstellung!
Als wir durchwaren, schien endlich die Sonne von blauem Himmel.
Es war schon nach zwei und wir beiden Nicht-Frühstückerinnen hatten Hunger: Meine Mutter lud mich ins Café des Dallmayr ein. Wir speisten Salat (ich, ein besonders feiner Teller mit u.a. Frischkäse, Pinienkernen, Physalis, konfierten roten Zwiebeln) und Tartar, wurden freundlich und herzlich umsorgt.
Dann gingen wir auf Einkaufstour durch Münchner Läden (in Ingolstadt gibt’s ja nicht mehr viel). Zwar spazierten wir schon auch aus reinem Interesse in ein paar Bekleidungsgeschäfte, doch die Suche meiner Mutter galt einer neuen schwarzen Handtasche, und dafür steuerte sie gezielt den Kaufhof am Marienplatz an – mit Recht, denn zu meiner Überraschung war die Auswahl dort riesig in verschiedenen Preisklassen.
Die schräge Wintersonne hatte gerade ihren großen Auftritt in der Sendlinger Straße. Bei uns daheim nur kurzer Austausch von Dingen, dann machte sich meine Mutter auf den Weg zurück zum Hauptbahnhof.
Ich verließ das Haus nochmal, um ein Paket in einem bislang unbekannten Paketshop abzuholen – und geriet in eine Parallelwelt, die ich hier wirklich nicht vermutet hatte: Die Adresse führte mich in den Hinterhof eines Hauses im feinen Hackenviertel, dort aber in einen überaus schraddligen Getränkeladen. Estrich-Boden, Getränkekastenstapel, an der Wand bei der Kasse auf der einen Seite Regalbretter mit Spirituosen, auf der anderen Plastikdosen mit einzeln zu erwerbenden Gummisüßigkeiten, die Theke abgeschirmt durch eine übrig gebliebene pandemische Plexiglasfläche, die an einer Kette von der Decke hing. Eben bestellte jemand für den hippen Friseurladen ums Ecke eine Getränkelieferung, ich wartete gern und sah mich um.
Nachdem ich schließlich nach meinem Paket fragen konnte, dauerte es sehr sehr lang, bis Herr Getränkehändler aus dem Hinterzimmer wiederkam, erstmal mit der Nachricht, es sei nicht da. Ich brachte ihn dazu, anhand der Versandnummer nochmal zu suchen, und nach einer wieder so langen Länge, hinter mir hatte sich bereits eine deutliche Schlange formiert, brachte er es auch: Das Kochbuch von Schmock-Wirt Florian Gleibs. Daheim eine Abschlussfolge Yoga-Gymnastik, das 30-Tage Programm “Center” werde ich gleich nochmal von vorne turnen.
Das Rezept fürs gestrige Abendessen entlehnte Herr Kaltmamsell Jamie Oliver:
Der Wirsing aus Ernteanteil wurde zu Rouladen mit Tomatensauce und Camembert. Hervorragend, die Füllung mit Reis und Hackfleisch (im Original “sausage meat”) ist genau das Meine. Aus dem zweiten Wirsingkopf briet er Pflanzerl u.a. mit Haferflocken und gehackten Tofu, die schmeckten mir ebenfalls sehr gut. Nachtisch Schokolade aus bedrohlich lichter Süßigkeitenkiste.
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Johnny Häusler fasst in seinem Newsletter nachvollziehbar zusammen, was er über Hoffnung gelernt hat.
“What Are We Gonna Do Now?”
Das möchte ich nicht durch einen zitierten Ausschnitt bis zu Nicht-Nachvollziehbarkeit verkürzen, bitte lesen Sie bei ihm.
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Wirbelsäule selbst entklemmen? Diese Übung eines Physiotherapeuten im Münsterland probierte ich gleich mal aus – auch ich hörte es wohltuend rumpeln.
via Bingereader