AfD-Präsenz auf Didacta wird zum Prüffall

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Feb 4, 2025 - 23:47
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AfD-Präsenz auf Didacta wird zum Prüffall

Die Proteste gegen die AfD als Hauptaussteller auf Europas größter Bildungsmesse Didacta in Stuttgart werden lauter. Kommt die Messegesellschaft ins Nachdenken?

Es ist ein doppeldeutiger Satz – und womöglich ist das auch genau so beabsichtigt. „Mit Blick auf die jüngste Geschichte halten wir den Schritt, dieser Partei eine Plattform auf Europas führender Bildungsmesse zu geben, für höchst unangemessen“. So protestieren die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) gegen einen AfD-Stand als Hauptaussteller auf der Bildungsmesse Didacta der Messe Stuttgart, fünf Tage lang im Februar und nur gut eine Woche vor der Bundestagswahl.

„Mit Blick auf die jüngste Geschichte“. Ist damit das Abfackeln der Brandmauer durch CDU-Chef Friedrich Merz vergangene Woche im Bundestag gemeint? Oder das Nazi-Regime von 1933 bis 1945? Vielleicht beides. 

„Ein wichtiges Thema der Didacta ist die Demokratiebildung“, schreiben die Bundesvorsitzenden der GEW und des VBE, Maike Finnern und Gerhard Brand, sowie die baden-württembergische GEW-Chefin Monika Stein. „Wie verträgt sich das damit, einen Messestand zuzulassen, an dem Personen stehen könnten, die den Nationalsozialismus verharmlosen und demokratische Grundwerte infrage stellen?“

Der Volksverpetzer hat am vergangenen Freitag darüber berichtete, dass die Messegesellschaft der Didacta dem Landesverband der extrem rechten Partei eine Bühne geben will. Seitdem ist die Protestwelle stetig angewachsen. 

Marina Weisband: Realer Test für Demokratiebildung

Die Publizistin und frühere Piraten-Politikerin Marina Weisband sprach mit dem Volksverpetzer. Sie hält es für „unmöglich“, dass auf diese Weise der „Normalisierung des politischen Arms des Rechtsradikalismus“ Vorschub geleistet werde. Dies auch noch auf einer Bildungsmesse, speziell zum Thema Demokratiebildung. 

„Ich hoffe, dass der Druck auf die Messe groß genug wird, dass diese Akteure wieder ausgeladen werden“, sagte Marina Weisband weiter. „Das ist ein realer Test der bereits erfolgten Demokratiebildung.“ 

Weisband soll auf der Didacta 2025 als „Bildungsbotschafterin“ ausgezeichnet werden. Wird sie den Titel annehmen? Oder sie zum Boykott der Bildungsmesse aufrufen?  

Auf BlueSky schreibt die Publizistin, wenn nicht sie, „dann bekommt jemand anders den Preis und nimmt ihn lächelnd an. Nazis haben erfolgreich antifaschistische Arbeit vertrieben.“ Gegen einen Boykott der Messe spreche „nur folgendes: demokratische Akteure machen sich so kleiner und unsichtbarer und die AfD treibt sie weg, wenn sie sich überall einkauft“.

Yo, dann bekommt jemand anders den preis und nimmt ihn lächelnd an. Nazis haben erfolgreich antifaschistische arbeit vertrieben.— Marina Weisband (@afelia.bsky.social) 2025-02-02T18:13:42.071Z

Und geschickt eingekauft hat sich die AfD, die in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft wird, ganz offenbar. 

Auf Anfrage teilt die Messegesellschaft mit: „Der Aussteller hat sich selbstständig über das öffentlich zugängliche Online-Anmeldeportal angemeldet und sich für eine Teilnahme entlang des vorgegebenen Produkt- und Leistungsverzeichnisses entschieden.“ Sonderkonditionen seien der AfD nicht eingeräumt worden, auch werde ihr Stand „vergleichsweise klein“ sein. Die Partei sei eine von mehr als 700 Ausstellerinnen und Ausstellern insgesamt.

Warum war die Didacta-Messe nicht wachsamer?

Aber ja: Hätten nicht bei den Verantwortlichen die Alarmglocken klingeln müssen, als die für ihre faschistischen Parolen bekannte AfD um eine Präsenz auf Deutschlands wichtigster Bildungsmesse ersucht?

Hauptgesellschafter der Messe Stuttgart sind das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart. Außer der AfD wollen die baden-württembergischen Regierungsparteien Bündnis 90/Die Grünen und CDU Stände auf der Didacta aufbauen. Die Chance, so kurz vor der Bundestagswahl aus Neutralitätsgründen generell Parteien abzulehnen, hat die Messe vertan.

Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Stuttgart ist die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Die Schirmherrschaft der Didacta hat das baden-württembergische Kultusministerium inne, das von der Grünen-Politikerin Theresa Schopper geführt wird.

Kultusministerium bleibt gelassen

Der stellvertretende Sprecher des Kultusministeriums, Fabian Schmidt, spielte auf Anfrage das Problem herunter: „Die AfD ruft stets, egal wo und mit welchen Themen sie auftritt, Irritationen hervor.“ Inhaltlich habe das Ministerium „angesichts des doch sehr stark fachlich und pädagogisch geprägten Publikums wenig Sorge, dass die Thesen größere Verbreitung finden“. 

Eine Mitverantwortung für die Präsenz der AfD weist der Schirmherr zurück: „Das Kultusministerium hat keinerlei Zuständigkeit, was die Auswahl der Aussteller angeht. Wir sind Gast auf der Didacta.“ 

Bundesbildungsminister Cem Özdemir, der als Grünen-Bundestagsabgeordneter seinen Wahlkreis in Stuttgart hat, wollte sich nicht äußern.

Gerät bei der Messe Stuttgart noch etwas in Bewegung – und wird entgegen einer ersten Einschätzung doch noch möglich, der AfD den zugesagten Messestand wieder zu entziehen? Selbst wenn das juristisch als schwierig gilt und die Messegesellschaft mit drohenden Schadenersatzforderungen argumentiert.

Didacta: „Eine Messe ist keine Zensurbehörde“

Vergangene Woche hatte ein Messe-Sprecher erklärt: „Gezeigte Inhalte und Produkte“ dürften nicht gegen Gesetze verstoßen und mit der „Nomenklatur der Veranstaltung“ unvereinbar sein – beides sei im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Wobei schon diese Feststellung fragwürdig ist: Denn es ist ja überhaupt nicht klar, mit welchem Propagandamaterial, mit welchen „Inhalten und Produkten“ die AfD ihren Messestand bestücken will.

Weiter hieß es von der Messe Stuttgart, Aussteller dürften aus politischen Gründen nicht abgelehnt werden, „eine Messe ist keine Zensurbehörde“. Sie biete „allen Meinungen und Ansichten, solange diese sich im legalen Rahmen bewegen, eine Plattform“. Und schließlich sei die AfD „demokratisch gewählt“. 

Messe beobachtet die Diskussion „aufmerksam“

Die Tonlage der Messe veränderte sich nach dem Wochenende, nach lautstarker öffentlicher Kritik. Nun schrieb die Direktorin Kommunikation der Landesmesse, Stefanie Kromer, an den Volksverpetzer, ein Ausschluss eines angemeldeten Ausstellers könne nur „im Rahmen der einschlägigen Rechtsbestimmungen“ erfolgen. „Die Messe Stuttgart wird die Messepräsenz dieses Ausstellers und die diesbezüglichen Diskussionen sehr aufmerksam verfolgen und fortlaufend bewerten.“

Petition auf change.org

Britt Dammann, die seit 20 Jahren als Erzieherin arbeitet, hatte am Wochenende auf change.org eine Petition zum „bindenden Ausschluss der AfD von der Didacta Messe Stuttgart“ gestartet. Sie sei „tief beunruhigt und schockiert“, dass „die rechtsextreme Partei AfD eine Bildungsmesse infiltriert“, eine Partei, die „sich immer wieder durch menschen- und demokratiefeindliche Haltung hervorgetan“ habe, schrieb sie zur Begründung. Bis Montagnachmittag hatten 5610 Menschen unterschrieben. 

Titelbild: Martin Schutt/dpa, Canva

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