Rolle rückwärts im Verbraucherschutz
MiCA ist seit Januar in Kraft. Für die Kryptowelt in der EU hat das einige harte Konsequenzen. So sind einige der besten Stablecoins nicht mehr erlaubt, während Börsen private Wallets ihrer User dokumentieren müssen. Die gute Nachricht ist, dass die Technik der EU-Regulierung längst voraus ist.
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MiCA ist seit Januar in Kraft. Für die Kryptowelt in der EU hat das einige harte Konsequenzen. So sind einige der besten Stablecoins nicht mehr erlaubt, während Börsen private Wallets ihrer User dokumentieren müssen. Die gute Nachricht ist, dass die Technik der EU-Regulierung längst voraus ist.
Am augenscheinlichsten dürfte MiCA in den verfügbaren Handelspaaren von Börsen und Marktplätzen sichtbar sein.
Auf Bitcoin.de, BitPanda, Kraken, BitStamp, Coinbase, Crypto.com, vermutlich auch auf Binance – nirgendwo finden Kunden aus der EU noch den Stablecoin Tether (USDT). Kraken delistet darüber hinaus den PayPal-Dollar PYUSD, den TrueUSD (TUSD) sowie TerraUSD (UST). Crypto.com entfernt zudem die Pax-Dollar (PAX) und Wrapped Bitcoin, mehrere gestakte Token sowie die DAI-Dollar.
MiCA beschützt uns Einwohner der EU also vor Stablecoins, die irgendwie als schädlich gelten. Schädlich bedeutet hier, dass ein Stablecoin keine E-Money-Lizenz nach MiCA hat. Patentiert unschädlich sind bisher nur der Circle-Dollar USDC sowie die niederländischen Quantoz-Coins USDQ und EURQ. Auch Paxos konnte sich durch den Erwerb der finnischen Membrane Finance eine Lizenz sichern.
Mehr Unsicherheit wagen
Mit Tether verschwindet der größte, stabilste und volumenstärkste Stablecoin aus der EU. Durch eine Marktkapitalisierung von 140 Milliarden Dollar ist Tether mehr als doppelt so groß wie USDC mit gut 55 Milliarden Dollar. Ein Sprecher von Tether nennt das „hastige Delisting“ durch die Börsen „enttäuschend.“ Dies könne „viele Token im EU-Markt betreffen, nicht nur USDT, und wir fürchten, dass solche Aktionen den Verbrauchern in der EU weitere Risiken aufbürden.“
Tatsächlich genießt Tether global sehr viel Vertrauen und ist allein durch seine Größe und Verbreitung auf den Märkten stabil. Schon USDC ist hier eine Abwertung, die Paxos-Dollar wären eine weitere, und wenn man anstatt Tether blutjunge Stablecoins wie USDQ benutzt, würde das die Unsicherheit der Verbraucher stark erhöhen.
Aber auch bei Paxos ist es nicht so einfach. Das amerikanische Unternehmen hat sich mit Membrane Finance zwar die notwendige E-Money-Lizenz erworben. Das bedeutet aber nicht, dass die Pax-Dollar nun mit MiCA konform sind. Dazu müsste Paxos sie zunächst entlang der Richtlinien des Gesetzes umbauen. Bisher ist lediglich der von Membrane herausgegebene EUROoe gültig.
„… potenziell neue Risiken“
MiCA verlangt von Stablecoin-Herausgebern unter anderem, dass sie ihre Reserven nach bestimmten Richtlinien aufbauen. Dies greift nicht nur das zentrale Geschäftsmodell der Herausgeber an, die, wie Tether, durch Reserven wie T-Bills extrem profitabel sein können. Es begrenzt sie auch darin, sichere Strategien auszuarbeiten. „Einige Aspekte von MiCA machen den Betrieb von EU-lizenzierten Stablecoins komplexer und führen potenziell neue Risiken ein“, erklärt Tether daher.
Tether dürfte sich wohl sträuben, eine Lizenz für die EU zu erhalten. Für neu entstehende Stablecoins ist der Markt hier durch die EU-Auflagen viel unattraktiver geworden, für Innovationen in diesem Bereich bleibt nicht viel Raum.
Circle setzt auf ein eher duales Modell, bei dem ein Teil der USDC in der EU nach MiCA-Auflagen geprägt wird, während der Großteil außerhalb erzeugt wird. Oder so ähnlich. Ob dies dauerhaft Bestand hat, wird noch zu sehen sein.
Die einzige wahre Regel
Umstrittener ist die Situation bei den DAI-Dollar. Diese wurden von Crypto.com delistet, sind aber weiterhin auf Kraken zu handeln.
DAI-Dollar sind algorithmische Stablecoins, die von einer Dezentralen Autonomen Organisation (DAO) herausgegeben werden, früher hieß sie Maker, heute Sky. Diese DAO hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das zum Schluss kommt, dass die DAI nicht lizenzpflichtig sind. Vor allem, weil es, anders als bei traditionellen Stablecoins, keinen identifizierbaren Herausgeber gibt und weil Sky, die DAO, den Stablecoin niemandem anbietet.
Ob diese Auslegung Bestand hat, muss sich noch zeigen. Kraken nimmt sie zunächst an, Crypto.com vertraut ihr nicht. Denkbar wäre durchaus, dass „kein identifizierbarer Herausgeber“ bedeutet, dass niemand die Regularien einhalten kann, es daher auch keine Lizenz gibt und der Handel nicht erlaubt ist.
Grundsätzlich gilt, unabhängig von jedem weiteren Faktor, in der EU nun eine einzelne Regel. Peter Kerstens, ein Berater der Kommission, drückte sie so aus: „Wenn ein Krypto-Asset nicht autorisiert ist, dürfen Sie es nicht listen.“ Verbraucherschutz spielt dabei offensichtlich ebenso wenig eine Rolle wie die Nachfrage der Europäer, an einem lebendigen Markt zu partizipieren.
Die Schicht der Identität
Die Nutzer von Börsen spüren MiCA aber nicht nur beim Handel. Auch wenn sie sich Bitcoins, Ether oder andere Coins auf eigene Wallets auszahlen.
Denn mit MiCA ist ab Januar die „Transfer-of-Funds Regulation“ (TFR) in Kraft getreten. Börsen und andere Krypto-Dienstleister stehen nun in der Pflicht, die Travel-Rule zu befolgen: Sie müssen die Namen von Sender und Empfänger sowie deren Adressen mit der Transaktion übermitteln.
Wenn die Transaktion an eine andere Börse fließt, bekommen die User gar nichts davon mit. Wie bei anderen elektronischen Überweisungen spannt sich über das Transaktionsgeschehen eine Schicht auf, die Zahlungen und Identität verbindet. Allerdings wurde die Travel-Rule für Überweisungen durch Mittelsmänner geschrieben. Private Wallets, die euch erlauben, eure Schlüssel selbst zu verwahren, sprengen das System.
Daher sind Börsen, die ihren Sitz in der EU haben oder Kunden aus der EU bedienen, nun verpflichtet, ihren Kunden einige Fragen zu stellen, wenn diese Coins im Wert von mehr als 1.000 Euro auf externe Wallets auszahlen. Im Grunde müssen sie vor allem wissen, ob die Wallet dem User selbst gehört. Bei größeren Zahlungen wäre aber auch denkbar, dass sie weitere Informationen erheben müssen
Die Schicht der Identität spannt sich nun also nicht nur von Dienstleister zu Dienstleister, sondern versucht, auch eure eigenen Wallets abzudecken.
Darüber hinaus haben sich auch die Meldepflichten von Börsen verschärft. Wenn sie einen Verdacht haben, dass ein Kunde in Geldwäsche verwickelt ist, müssen sie dies nun früher melden. Was aber konkret einen solchen Verdacht veranlasst, ist nicht genau definiert. Vermutlich müssen die Börsen den Aufsehern nachweisen, dass sie adäquate Maßnahmen ergreifen, um Geldwäsche zu erkennen. Dies dürfte dann zum Ergebnis haben, dass Börsen von euch mehr Informationen brauchen, etwa über die Herkunft eures Geldes.
Technisch bereits veraltet
Insgesamt wurde der Krypto-Space in der EU mit dem Anbruch des neuen Jahres etwas unbehaglicher. Während die Travel Rule seit Langem erwartet wurde und global weitgehend unvermeidbar ist, wirkt die Aussortierung bewährter Stablecoins wie USDT wie ein Unfall.
Beide Effekte machen aber DeFi für EU-Bürger umso wichtiger. Wer noch mit USDT handeln will, kommt nicht an dezentralen Börsen wie Uniswap vorbei; auch wer Börsen und andere Plattformen verwenden will, ohne dadurch seine Wallet-Adressen mit seiner echten Identität zu verknüpfen, hat keine andere Option mehr, als DeFi-dApps anzusteuern.
Technisch gesehen ist MiCA schon veraltet. Die Regulierung tritt zu einem Zeitpunkt in Kraft, zu dem es bereits eine breite, reife, komfortabel zu bedienende Welt von dezentralen Krypto-Dienstleistungen gibt, die sich ihr entziehen. MiCA wird daher auch den Effekt haben, die Dezentralisierung des Finanzwesens zu beschleunigen.
Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass die EU in den von ihr bereits angekündigten Nachschärfungen wohl auch DeFi aufs Korn nehmen wird. Dies wird aber noch einige Jahre dauern und selbst dann auf Umsetzungsprobleme stoßen, auf welche die an zentrale Akteure gewohnte Aufsicht nicht vorbereitet ist.